Zu Tode gestreichelt
Haustiere werden von ihren Besitzern geradezu mit Zuneigung überschüttet. Für viele wird das zur Qual.
Die Schule hat Zille längst hinter sich. In sechs Fächern wurde er geprüft – in allen "sehr gut". Trotzdem: Cornelia Cramer möchte ihn weiter fördern, lebenslang, denn Lernen lohnt sich. Deshalb chauffiert sie ihren Kleinen regelmäßig zu verschiedenen Kursen, obwohl seine Hobbys kostspielig sind.
Zille ist ein schwarzer Kleinpudel, ein lebhafter Kerl mit beigefarbener Zeichnung an Pfoten, Brust und Kopf. Dass er bestens an der Leine geht und kommt, wenn er gerufen wird, bewies er vor drei Jahren in der Gehorsamkeitsprüfung. Jetzt steht am Mittwochnachmittag Agility auf seinem Stundenplan. Hier springt er durch Reifen und über Hürden, schlängelt sich auf Handzeichen durch einen Parcours, rast durch einen Plastiktunnel, dass es rappelt. Auch freitags hat Zille Programm. Beim Mantrailing nimmt er die Witterung eines Menschen auf, der sich im Wald oder im Gedränge von Fußgängern versteckt. Zudem ist er jeden Vormittag fast zwei Stunden mit Cramer unterwegs, nachmittags noch mal eineinhalb. Er frisst kein billiges Fertigfutter, sondern sorgfältig komponierte Frischfleischgerichte. Seine Lieblingsspeise: Rind mit Möhren-, Kohlrabi- und Rote-Bete-Gemüse, garniert mit Kräutern und kalt gepresstem Distelöl.
Anders als viele seiner Vorfahren führt Zille kein "Hundeleben" – jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinn. Er gehört einer neuen Haustier-Generation in Deutschland an. Immer mehr Hundebesitzer sorgen dafür, dass es ihrem Liebling an nichts mangelt, und von der neuen Empathie für die Kreatur profitieren auch andere Arten. Allein zwischen 1999 und 2011 stieg der Umsatz mit Haustierfutter und -zubehör von 2,8 auf 3,8 Milliarden Euro. Allerdings: Für manches Haustier wird die Liebe zur Qual...
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