Ich habe mir den Text gestern schon durchgelesen - und für sehr gut befunden. Nicht, weil ich immer mit dem Autor einer Meinung bin, aber weil der Text klar, menschlich und nachvollziehbar ist. Und natürlich auch, weil ich den Inhalt größtenteils sinnvoll finde.
Wäre ICH ein Hund, würde mir das jedenfalls besser gefallen als umgekehrt.
Daran glaube ich z. B. nicht (mehr) unbedingt.
Nehmen wir mal so eine typische ESsi-Welpen-Geschichte:
Welpi sieht einen Jogger/Radfahrer/Roller/Spiegel/Kind/Hund in 50m Entfernung und fängt an zu keifen. So richtig, mit vollem Eifer. Dreht sich springend in der Leine wie ein Kreisel und keift. Und Welpi macht dabei auch nicht den Eindruck, als wäre es besonders geängstigt. Viel lieber möchte Sie das Ding jagen - weil es sich bewegt, sich bewegen könnte oder Welpi noch feststellen muss, ob es sich bewegen könnte.

Du überlegst dir schnell, ob du das „Gegenkonditionieren“ willst, irgendwas darein clickerst – oder du das einfach unterbrichst und sagst: „so nicht!“. Gut, schnell ist relativ, ich hab sicher meine zwei, drei Wochen gebraucht – aber es gibt Menschen, die schalten schneller und im Nachhinein ist man immer schlauer.
Was empfindet ein Hund dabei? Stress. Und zwar ganz schön viel Stress.
Je nach Hundetyp, steigert sich das immer weiter und es dauert eine halbe Ewigkeit, bis der Hund wieder einen klaren Gedanken fassen kann.
Was empfindet ein Hundehalter dabei? Stress, na klar. Vielleicht noch Wut - Verzweiflung? „Was tue ich jetzt? Was denken die Leute? Was würden die im Fernsehen/Forum/Buch/Hundeschule machen? Wie kann ich dem nächsten Hund ausweichen? Was mache ich, wenn jetzt ein Tutnix kommt?“
Ich war so gemein und habe dem Hundekind irgendwann gesagt, dass es jetzt gefälligst die Schnauze halten und weitergehen soll. Das sah mit Sicherheit weder liebevoll, freundschaftlich, noch pädagogisch wertvoll aus. Direkt im Anschluss bekam sie ihre Beißwurst zwischen die Zähne gedrückt und konnte sich daran auslassen. Jogger, Radfahrer, Roller, Kinder, etc. waren dem Hund innerhalb weniger Tage so egal – die hat sich umgedreht und geguckt, wo ihr Spieli bleibt.

Natürlich schreibt sie teilweise sehr übertrieben, von daher weiß ich an manchen Stellen nicht, ob sie das ernst meint, oder übertreibt. (Beispiel die Sache mit den scharfen Abbruchsignal, das hat wohl fast jeder Hundehalter)
Weit gefehlt!
Es gibt etliche Hundeleute, die so ein Abbruchsignal gleichsetzen mit Rappeldose, Sprühflasche, Stachler, Teletac und den Foltermethoden aus dem Mittelalter. Das ist nämlich NEGATIV für den Hund, unangenehm – das geht gar nicht! „Der Hund ist gestresst, weil er keinen Ausweg findet, er ist hilflos, er weiß nur was er nicht soll“ etc. – das ist alles sogar richtig.
Ich habe aber, nachdem ich so ein Verhalten unterbrochen habe, Zeit ein Alternativverhalten zu fordern, anzubieten – wie auch immer man das nennen mag. Dann ist der Hund nicht hilflos – er kann sich an mir orientieren.
Tja, das ist für den Hund unter Umständen deutlicher, verständlicher als ein ewiges „Abstand suchen, rumclickern, heranführen, rumclickern, Emotionen verändern“.
Monstie hat geschrieben:Wird ein Hund der strenge / körperliche Negativmarker bekommt weniger einem Wild hinterher hetzen? Wird er nicht gerade dann schauen, dass er nicht zum wütenden Frauchen zurück kommt, wenn er weiß, dass ihn eine Strafe erwartet?
Oder wird er nicht eher zurück kommen, wenn er weiß, dass er eine super tolle Belohnung bekommt?
Hunde sind intelligent. Und sie sind feinfühlig, merken wie ihre Menschen "drauf" sind.
Wenn mein Hund stiften geht, dann bin ich sauer - so richtig sauer! Kann ich da erwarten, dass der Hund mir mein geknurrtes "guter Hund, hier her!" abkauft? Wohl eher nicht, oder? Natürlich strafe ich einen Hund, der dann doch zurückkommt nicht - aber ich persönlich würde auch keinen Freudenstanz machen - könnte ich nicht, nicht so, dass es glaubwürdig wäre.
Dem Autor ist es sicher ziemlich egal, ob man jetzt eine "Belohnungshitlist" hat oder an welchem Gestrüpp der Hund in der Leine hängt. Aber diese Dingen hängen oft mit dem Rest (siehe oben) zusammen.
Ich mag vieles, was "modern" ist - ich mag, dass man sich mit dem Wesen und dem Verhalten des Hundes auseinandersetzt, Dinge überdenkt, im Hinterkopf behält, wie ein Hund lernt, den Hund beschäftigen will, etc.
Aber nicht alles ist Gold, was glänzt.
Nicht der Mensch hat am meisten gelebt, welcher die höchsten Jahre zählt, sondern der, welcher sein Leben am meisten empfunden hat.
Jean-Jacques Rousseau