Welche Formen der Aggression kennt ihr denn zum Beispiel?
Ich werde jetzt einfach aufschreiben, was mir dazu einfällt... ganz unsortiert. Man kann sicher manches unter einen „Oberbegriff“ packen.
Aggression um...
- Jemanden (läufige Hündin, Besitzer, etc.) oder Etwas (Futter, Ball, Liegeplatz, etc.) zu verteidigen – Ressourcenaggression
- Eindruck zu machen, andere zu vertreiben
- sich selbst zu verteidigen
- sich durchzusetzen
- Welpen/Junghunde/Rüpel zu „erziehen“
- allgemein Zurechtweisungen untereinander oder auch gegenüber des Menschen
- unangemessene Aggression in einer Gruppe, Rüpeleien
- um im Alltag zu kommunizieren, was gerade gestattet ist und was nicht
- frustbedingte Aggression – als „Blitzableiter“ andere Hunde, menschliche Körperteile, Leine beißen, bellen ...
- Aggressionsverhalten als Übersprungshandlung
Zeigt euer Hund vielleicht sogar selbst aggressives Verhalten in gewissen Situationen? Wenn ja, wann und wo?
Na klar. Meine beiden zeigen den ganzen Tag über verschiedenste „aggressive Verhaltensweisen“, wenn man so will.
Beim aufstehen, beim füttern, beim aus der Tür treten, beim ableinen, wenn ein Hund über den anderen drüber steigt …
da wird geknurrt, starre Blicke werden ausgetauscht, die Lefzen werden hochgezogen, der eine rempelt den anderen mal an, etc., aber dabei bleibt es dann auch, weil ein Part den anderen akzeptiert.
Es „knallt“ hier sehr selten, eben weil einige Dinge strikt verboten sind und andere Dinge scheinbar nicht den Wert haben, um sich in die Wolle zu kriegen.
Das Püppchen reagiert außerdem generell gegenüber anderen Hunden höchst aggressiv. Da ist nichts, mit „mal gucken lassen“ und „die regeln das schon unter sich“. Die hasst andere Hunde und würde am liebsten alles in die Erde stampfen, was vier Beine hat.
Boomer hat ab und an Angst um sein Knabberzeug, wenn ESsi vorbeischaut und droht dann massiv - das juckt die Hündin gar nicht.
Wo beginnt (bei welchen Anzeichen) bei euch aggressives Verhalten?
Für mich beginnt „aggressives Verhalten“, schon sehr früh. Liegt aber vielleicht auch daran, dass ich Aggression nicht negativ sehe. Also auch Knurren, Bellen, Lefzen hochziehen, kleine Drohungen... packe ich unter „aggressives Verhalten“, der Grund ist mir erst mal egal. Ein unsicherer, drohender Hund ist genauso ein aggressiver Hund, wie ein selbstbewusst-drohender!
Was kann dieses Verhalten auslösen?
Boah, da gibt es ja so viele Möglichkeiten. Angst, Unsicherheiten, Frust, Kampfgeist, der Wille etwas zu bekommen.
Und wie soll oder wie würdet ihr an diesem Verhalten arbeiten?
Muss man denn immer daran arbeiten?
Ich finde, darauf gibt es auch keine pauschale Antwort.
Meiner Meinung nach, sollte man auf jeden Fall an der Ursache arbeiten (oder zumindest nachvollziehen können/wollen, wieso der Hund so tickt), wenn man die Aggression bekämpfen will. Man sollte aber auch seine Grenzen erkennen und eine Möglichkeit finden, damit fertig zu werden, wenn es eben nicht vollständig oder gar nicht „therapiert“ werden kann. Bei dem Püppi z. B. habe ich gar nicht versucht, andere Hunde „schmackhaft“ zu machen – daran wäre ich gescheitert und würde heute noch scheitern.
Gibt es Dinge, wo ihr aggressives Verhalten toleriert oder versteht und andere, wo ihr sagt, das geht gar nicht? Wenn ja, was wäre das und wo ist für euch da der Unterschied? Wie weit darf der Hund seine Aggression zeigen?
Ja, ich toleriere es wenn mein Hund es nicht toll findet, wenn irgendwer an seiner Box (oder an seinem Auto, irgendwann

) rumgrabscht. Ich toleriere es, wenn mein Hund einen anderen Hund, oder auch alle Hunde zum kotzen findet und ich toleriere es auch, wenn mein Hund sich nicht von mir vermöbeln lässt (es soll ja Leute geben, die sich dann beschweren wenn der Hund beißt …). Untereinander dürfen die beiden sich gerne mal die Meinung sagen, aber Fetzen dürfen nicht fliegen.

Ich kann das alles tolerieren, weil es in meinem Alltag kein Problem darstellt – und ich werde mir mein Leben nicht extra schwer machen, damit die Hunde in irgendwelche Schemata passen, die sie eigentlich nicht erfüllen können/wollen.
Aber: Ich habe dafür zu sorgen, dass keinerlei Gefahr von meinen Hunden ausgeht. Niemals. Egal, ob er mit dem falschen Bein aufgestanden ist oder der verhasste Nachbarsdackel urplötzlich um die Ecke kommt.
Seid ihr der Meinung, dass alles reine Erziehungssache bzw. Sozialisierung ist oder gibt es eurer Ansicht nach auch Rassen, die tendenziell eher oder schneller zur Aggression neigen als andere?
Ja, natürlich gibt es die, auch wenn man es nicht gerne liest. Terrier, Gebrauchshunde, einige Jagdhunde, einige Hütehunde MÜSSEN schneller zur Aggression greifen, wenn sie überleben wollen oder ihre Aufgabe erfüllen wollen.
Ein Aussie, der vor den Rindern wegläuft, wenn's drauf ankommt bringt dem Farmer nichts. Ein Schäferhund, der sich hinter dem Polizisten versteckt, bringt nichts. Ein Terrier, der im Dachsbau lange überlegt, stirbt.
Wie schnell ein Lebewesen zur Aggression greift, ist für mich etwas, was aus verschiedenen Komponenten zusammengesetzt wird.
Wie impulsiv ist der Hund? Hat er sich gut unter Kontrolle? Wie kommt er mit Frust klar? Wie reagiert er auf Stress? Fühlt er sich schnell bedroht? Wie stark ist sein „Wille“?
Und so Dinge wie Stressempfindlichkeit, Frusttrationstoleranz, Impulsivität kriegt ein Hund nicht nur anerzogen, sondern auch in die Wurfkiste gelegt.
Gibt es von eurer Seite irgendwelche speziellen Fragen zur Aggression?
Noch nicht.

Möchte aber einen Text in den Thread werfen, der MICH vor einiger Zeit dazu gebracht hat, bei dem Wort „Aggression“ nicht an einen ausrastenden Hund zu denken, sondern an einen intelligenten, fähigen Hund.
Der Text bezieht sich stark auf den (niederländischen) Schutzhundesport bzw. Dienst, aber vielleicht nimmt sich ja trotzdem Jemand die Zeit. --->
PHV de Huifkar - Aggressionsförderung?
Nicht der Mensch hat am meisten gelebt, welcher die höchsten Jahre zählt, sondern der, welcher sein Leben am meisten empfunden hat.
Jean-Jacques Rousseau