Rudelstellung nach Barbara Ertel

Caniden ticken anders als Primaten

Re: Rudelstellung nach Barbara Ertel

Beitragvon Kailyn » 07.02.2014, 21:22

Ich finde es ja gerade so frech, wie da behauptet wird, dass ein Hund, der seine "Rudelstellung" nie ausleben durfte (also mit anderen Hunden, deren Rudelstellungen zu ihm passen), "stellungsschwach" wird, oder keine Stellung mehr hat und das (Zitat) "nur noch grausam für die Hunde" ist.

Das heißt, dass im Grunde jeder, der weniger als drei Hunde hat, ganz automatisch ein Tierquäler ist, weil jeder Hund, egal welcher Stellung er angehört, mindestens zwei weitere Hunde für ein halbwegs harmonisches Rudel braucht, damit er seine genetische Rudelstellung ausleben darf. Jeder Einzelhundehalter tut seinem Tier eine ewige Tortur an.

Alle Hunde, die nicht nach dem Konzept leben, sind automatisch asozial.

Bei so viel geballtem Radikalismus und diesem schier unerhörten Maß an Blödheit, fasst es "WTF!" nichtmal ansatzweise zusammen, was ich mir dabei denke. Ich meine, ernsthaft! Wie kommt man auf sowas? Vor 200 Jahren, ja, da sag ich ja nichts. Aber heute? Whaaaaaat?

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Re: Rudelstellung nach Barbara Ertel

Beitragvon Getier » 08.02.2014, 00:05

Was ich noch viel viel interessanter finde - und was die Gefährlichkeit ausmacht - WIESO schenken Menschen solchen Theorien glauben? Und dann gleich so viele... ?! Das verbreitet sich ja immer mehr.
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Re: Rudelstellung nach Barbara Ertel

Beitragvon Kailyn » 08.02.2014, 00:24

Ich glaube ja einfach, dass die Menschen es sich selbst sehr leicht machen wollen und dass das Ego schon auch eine gewisse Rolle spielt. Meine Erfahrungen haben mir gezeigt, dass es Menschen gefällt, ein Tier bedingungslos kontrollieren zu können. Und dabei wollen sie nicht, dass diese Kontrolle ein Resultat von Fähigkeiten ist, die sich jeder Normalsterbliche aneignen kann (also bitte *küssdiehand*), sondern ein Resultat von einer Art "Charisma". Man kann den Hund kontrollieren, weil man so unglaublich viel Persönlichkeit hat, denn das hat ja nicht jeder. Wissen und Fähigkeiten über operante Konditionierung und Kynologie kann sich ja jeder Idiot aneignen, das ist doch nichts besonderes.

Tieren einen "Rang" geben zu wollen und sie dadurch dahingehend manipulieren zu können (oder glauben, es zu können), ist ein Ausdruck großer Macht. Dieses Rudelstellungssystem ist im Grunde sehr simpel, auch wenn Frau Ertel meint, nur sie selbst könne einen Hund zuverlässig einschätzen (wenn es sowieso nur sieben verschiedene Hundetypen gibt, sollte das so schwer auch wieder nicht sein). Allein der Gedanke, dass sich alle Probleme, Verhaltensstörungen und Kinkerlitzchen in Luft auflösen, wenn man einen Hund einem bestimmten Rang zuweist, klingt schon sehr verführerisch, gerade wenn man mit seinem Problemhund vorher an anderen Methoden oft gescheitert ist (wobei die Frage bleibt: Wer mit einem Hund schon nicht zurecht kommt, soll also plötzlich mit mindestens drei zurechtkommen? Hm...). Weiterhin fühlen sich viele Menschen einfach auch zu diesen Gurupersönlichkeiten hingezogen. Einem solchen Kreis anzugehören, gibt einem das Gefühl, etwas Besonderes zu sein, anders zu sein, besser zu sein. Frau Ertel ist die EINZIGE, die das zuverlässig kann, auf der ganzen weiten Welt. Wer zu ihr geht, pilgert nach Mekka.
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Re: Rudelstellung nach Barbara Ertel

Beitragvon Dieter » 08.02.2014, 00:42

Getier hat geschrieben:...und was die Gefährlichkeit ausmacht - WIESO schenken Menschen solchen Theorien glauben?


Ich denke nicht, dass diese Hypothese - eine Theorie im wissenschaftlichen Sinne ist es nicht - gefährlich ist. Da labert ein harmloses Völkchen - mit Hang zu Komplikationen und viel theoretischem Überbau - über die Stellung ihrer Hunde. Dazu laden sie u.a. Fotos hoch, um am Hundeblick bestimmte Positionen einschätzen zu können.
Oder sie halluzinieren sich vor, dass ihr V2 einen geborenen N3 getroffen hat und leiten über die Art, wie die sich am Arsch beschnüffelt haben, bestimmte Eigenschaften ab.
Manche mögen sich auch zum Affen machen, um als VLH mit ihrem NLH auch ohne MBH zu kommunizieren, notfalls mittels linksdrehendem Clicker.

Ansonsten

Kailyn hat geschrieben:... Weiterhin fühlen sich viele Menschen einfach auch zu diesen Gurupersönlichkeiten hingezogen. Einem solchen Kreis anzugehören, gibt einem das Gefühl, etwas Besonderes zu sein, anders zu sein, besser zu sein. Frau Ertel ist die EINZIGE, die das zuverlässig kann, auf der ganzen weiten Welt. Wer zu ihr geht, pilgert nach Mekka.


hat - denke ich - Kailyn Recht.
Viele Grüße
Dieter

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Re: Rudelstellung nach Barbara Ertel

Beitragvon Getier » 08.02.2014, 11:58

Ich finde es schon "gefährlich". Soooo klein ist dieses Völkchen schon nicht mehr, ich habs sogar schon mal auf einem Spaziergang gehört. Und wenn die Menschen echt anfangen, ihre Hunde untereinander zu tauschen und Welpen in andere Würfe zu schieben... na Mahlzeit. :?
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Re: Rudelstellung nach Barbara Ertel

Beitragvon Kailyn » 08.02.2014, 12:28

Das Welpen vertauschen finde ich noch das harmloseste eigentlich. Wenn die Welpen noch sehr jung sind, ist das, zumindest für sie, nicht so wild, glaube ich (ich bin kein Züchter und habe dahingehend keine Erfahrungen). Ich würde mich aber diesbezüglich nicht mit jeder Hundemutter anlegen wollen. Nicht jede Mutterhündin lässt sich völlig entspannt ein paar Welpen wegnehmen oder unterschieben. Wenn es notwendig wäre, weil eine Hundemutter die Welpen nicht versorgen kann, ist das ja was anderes. Aber gezielt so derb zu manipulieren, finde ich abartig.

Dann das Tauschen untereinander. Was soll das? Da werden dann Hunde, die Jahre in einer Familie verbracht haben, wegen völlig abstrusen Gründen getauscht (wie lieblos kann man sein?) und verlieren ihr Zuhause. Sie werden einfach herumgereicht. Sowas macht man nicht mit einem Tier. Dann wird einem ja nicht selten ein Zweit- und Dritthund aufgeschwatzt. Und ich habe eben Bedenken, dass ein Mensch, der nichtmal mit einem einzigen Hund klarkommt, plötzlich mit drei Hunden klarkommen soll. Das sagt einem doch schon der gesunde Menschenverstand, dass man Probleme, die man mit einem Hund hat, nicht negieren kann, indem man einfach weitere Hunde dazuholt. Zudem nicht jeder die finanziellen Mittel hat, drei Hunde zu halten. Das schlechte Gewissen, das einem eingeredet, wird, wenn man es nicht so macht (asoziale Hunde, mental zerstörte Hunde) kann bei Menschen die seltsamsten Blüten treiben.

Dann kommt hinzu, dass Hunde, die nach Meinung des Konzepts keine Eckhunde sind, bewusst benachteiligt werden. Man kontrolliert jede Interaktion und so kann sich auch individuell eine gehörige Portion Frust bei den Hunden aufbauen. Rangreduktionsprogramme gab es wie gesagt schon und es ist kein Gerücht, dass diese, abhängig vom Individuum, zu Unsicherheit, Hemmungen und durchaus in einigen Fällen auch zu Frustrationsaggressionen führen können. Einen Hund höher zu stellen als den anderen passiert ja auch, unabhängig von diesem Konzept, in vielen Haushalten und ist meist darauf zurückzuführen, dass es einen "Liebling" gibt, der alles zuerst darf und der immer betüddelt wird und dem insgesamt mehr Raum zur Entfaltung gegeben wird. Ein gutmütiger Hund lässt das über sich ergehen, wenn er immer wieder die zweite Geige spielen muss und eingeschränkt wird, aber es gibt eben auch Hunde, die dadurch Frust aufbauen und irgendwann ein Ventil suchen. Das ist der Grund, warum ich es zumindest langfristig nicht für ungefährlich halte, Hunde in Positionen pressen zu wollen. Zwar spricht Barbara Ertel von "angeborenen Rudelstellungen" und das Hineinpressen wäre dadurch nicht widernatürlich, sondern entlastend und förderlich für den Hund, aber da es diese Rudelpositionen de facto einfach nicht gibt, ist das alles großer, großer Mist (auch Bloch, Riepe und Gansloßer halten das für Nonsens und ich persönlich habe eine hohe Meinung von diesen drei Männern). Noch kratzen Nachahmer nur an der Oberfläche, aber wenn Frau Nowak sich erstmal voll und ganz darauf einlässt (laut ihrer Aussage lässt sie momentan nur einige Dinge des Konzepts mit einfließen, arbeitet aber noch nicht vollständig danach, weil es sich noch nicht etabliert hat und auch für sie noch neu ist) und "das Wissen" in einem vermeintlich seriösen Sender wie ZDF auf die Menschheit loslässt, schwant mir Übles. Wir haben gesehen, wie Millan die Hundwelt beeinflusst hat, überall gibt es völlig degenenierte Nachahmer. Bei Leuten wie Schröck will ich einfach nur schreien.
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Re: Rudelstellung nach Barbara Ertel

Beitragvon Xafira » 12.02.2014, 15:58

Auch Thomas Riepe hat sich Gedanken zur Rudelstellung gemacht:
Hilfe, in unserer Rudelstellung fehlt die Nr.2!
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Re: Rudelstellung nach Barbara Ertel

Beitragvon chino » 13.02.2014, 11:36

Hallo,
Hunde sind eben derart anpassungsfähig, dass sie auch damit zurechtkommen, dass wir sie mit unserem Rudelwahnsinn überschütten. Diese Anpassungsfähigkeit ist bei Ihnen angeboren. Rudelstellungen sind es sicher nicht.

*unterschreib* :thumb:

Eine kleine Kritik habe ich allerdings anzubringen: ich hätte mir gewünscht, dass Herr Riepe nachdrücklich darauf hinweist, wie verantwortungslos (und dumm) dieses Abgeben und/oder Rumtauschen von Hunden aufgrund ihrer falschen "Stellung" ist. Bei jemandem mit seinem Bekanntheitsgrad findet das vielleicht doch mehr Gehör. :think1:

LG
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Re: Rudelstellung nach Barbara Ertel

Beitragvon Getier » 13.02.2014, 11:56

Klar. Aber da bewegt er sich auch echt auf gefährlichem Gebiet und die Aussagen müssen erstmal bewiesen werden, wenn er es wirklich so klar ausdrücken würde.
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Re: Rudelstellung nach Barbara Ertel

Beitragvon Kailyn » 11.03.2014, 18:34

Hallo,

ich habe nun einen ersten Erfahrungsbericht geschickt bekommen. Was darin steht, hat mich ehrlich entsetzt. Auf diesen Workshops von Frau Ertel geht es zu wie auf einer Tauschbörse. Und anscheinend sind es sogar gerade die Hunde, die konsequent nach der Rudelstellung gehalten und behandelt werden, die sozial überfordert sind (wo Frau Ertel doch immer darauf pocht, dass es nur die nicht nach der Rudelstellung gehaltenen Hunde wären, die asozial seien und dass das Fehlen der Rudelstellung überhaupt erst Verhaltensprobleme verursacht). Was mir besonders wehtat: Für jedes Fehlverhalten, das einzelne Hunde ihres Rudels begehen, macht Frau Ertel ausschließlich ihren "Leithund" (der ständig wie ein Blöder bellt) verantwortlich und bestraft ihn dafür. Wie krank das ist!

http://www.an-der-leine.de/2014/03/gast ... sstellung/
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