Hallo,
Sind wir doch mal ehrlich – wir sind Menschen – und insgeheim stehen wir total auf diesen Ritualkram. Mein Hund ist jetzt 7 Jahre alt – und holt sich nach Erledigung seiner größeren Geschäfte immer noch seinen Keks bei mir ab. Nicht, weil er ihn bräuchte – nein – weil es uns beide einfach glücklich macht. Sie sollten sehen, wie er grinsend angerannt kommt und kaum bremsen kann, mich anstrahlt und auf seinen Keks wartet. Als hätte er das tollste von der Welt für mich getan. Und ich freue mich, wenn er sich freut … UND – ich hab die Gewissheit, dass der Herr Hund gehäufelt hat…. Wenn er einfach nur zum Schnüffeln unterwegs war und dann kommt … dann ist er halt einfach da. Dieses Gesicht gibts NUR bei erledigtem Geschäft…
Rituale geben dem Leben eine (berechenbare) Struktur - mit allen Vor- und Nachteilen.
Der große Vorteil ist dieses "Sicherheitsgefühl", das die Struktur vermittelt - das kann für Mensch
und Hund besonders in schwierigen Phasen eine große Hilfe sein. Umgekehrt kann der Schuss natürlich nach hinten losgehen, wenn man sich so sehr an eine bestimmte Struktur klammert, dass jede Veränderung massive Verunsicherung bewirkt.
Unser (Hunde)Alltag ist gespickt mit kleinen und größeren Ritualen, aber ich habe von Anfang an versucht, trotzdem ein gewisses Maß an Flexibilität in diese Routine einzupflegen. In einem Haushalt wie unserem passiert ständig Unvorhergesehenes, da
muss einfach Spielraum für Abweichungen sein!
- ich brauche am Morgen meinen Kaffee + 2 Kippen, bevor ich mit dem Hund rausgehe. Das hat er längst verinnerlicht, da versucht er noch nicht mal, mich zum Gehen zu "motivieren". Bei der zweiten Kippe sieht er mich manchmal schon recht genervt an, aber er zappelt nicht rum. Ob ich dabei um 04:30, um 05:00 oder womöglich erst um 05:45 aufstehe, ist ihm egal - er fängt nicht an herumzutanzen, bevor ich nicht aufgestanden bin. Ich habe das allerdings auch noch nie "ausgereizt", indem ich mal bis 08:00 schlafe oder so.
- wenn ich nach NB + Handtasche greife (und die "gute" Jacke anziehe, je nach Wetter/Jahreszeit), hebt er bestenfalls leicht den Kopf. Er weiß dann, dass die böse Alte ihn definitiv nicht mitnimmt.
- manchmal kriegt er, bevor ich zur Arbeit fahre, sein Stück Rinerkopfhaut. Aber halt nicht immer, also wartet er nicht explizit darauf. Allerdings kommt er angewackelt, ohne gerufen worden zu sein, wenn die Kombi so aussieht: NB + Handtasche + Tür vom Schrankraum + Geraschel. Die letzten beiden Punkte signalisieren, dass ich nach der Kopfhaut krame.
- wenn wir vom Spaziergang heimkommen, setzt er sich schon längst ohne Kommando vor der Haustür auf der Fußmatte zurecht, weil er weiß, dass ich ihm gleich die Pfoten abwische. Das kann er zwar nicht leiden, aber da ich da kompromisslos bin, fügt er sich drein. Bei Herrchen macht er das nie, Herrchen lässt ihn ja auch klatschnass und saudreckig ins Haus latschen, also kann er sich die Nummer mit dem Hinsetzen ja bei ihm schenken ...
- Futter gibt es morgens nach der ersten und abends nach der letzten Runde. Dass er 1. das freudig-aufgeregt erwartet + 2. dabei wartet, bis ich die Schüssel freigebe, ist eine Mischung aus Gehorsam und Ritualisierung. Etwa 3-5x/Woche gibt es untertags noch einen Mischmasch aus Karottenpellets, Joghurt und diversem Kram - darauf wartet er aber nicht, da es das nicht jeden Tag und schon gar nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt gibt.
- in der Früh haben wir drei verschiedene Strecken, die wir abwechselnd laufen, am Abend ist es immer die gleiche --> morgens wartet er kurz, in welche Richtung ich nun losmarschiere, abends möchte er mich gern übern Haufen rennen beim Start, weil ja für ihn absehbar ist, wo es langgeht.
- egal, wann er am späten Nachmittag mit meinem Mann für eine große Runde draußen war: spätestens um 22:00 haut er mir im Sekundentakt die Pfote auf das Knie oder den Oberschenkel, weil er rausgehen will.
Diese Liste lässt sich noch eine Weile fortsetzen.
Maches hat sich einfach ergeben, andere Rituale habe ich bewusst herbeigeführt. Ich glaube sehr wohl, dass es für uns beide hilfreich war, um die nötige Ruhe in das Hundchen zu bringen und seine teils recht bizarren Verhaltensweisen in kompatible(re) Bahnen zu lenken.
LG
Andrea