Was passiert mit den Tieren der Toten?
1587 Hunde hat das Tierheim Berlin im Jahr 2012 aufgenommen. Fast jeder zehnte stammt aus einem Nachlass. Die meisten trauern.
So ist das im Alter, bei Krankheit und Tod: War man zu zweit, und einer geht, bleibt der Gefährte allein. Egal, ob es sich um einen menschlichen oder tierischen Partner handelt. Nur können Haustiere sich schwerlich einen neuen Partner suchen. Sie landen in der amtlichen Tiersammelstelle im Bezirk Lichtenberg. Sobald die rechtlichen Zuständigkeiten geklärt sind, wechseln sie ins benachbarte Tierheim. Von den 1587 Hunden, die das Tierheim im vergangenen Jahr neu aufgenommen hat, stammen 140 aus Nachlässen.
Viele Hinterbliebene wollen die Tiere nicht
Einer davon ist Benny, selbst schon in fortgeschrittenem Alter von 14 Jahren. Der Mischling trägt bei diesem stürmisch-nass-kaltem Wetter eine blaue Hundejacke. "Benny ist laut Impfausweis am 9. Dezember 1998 geboren, also betagt. Darum will ich ihn im Winter schön warm halten", sagt seine neue Besitzerin Beate Kaminski. Sie arbeitet beim "Tierschutzverein für Berlin und Umgebung", der das Tierheim betreibt. Kaminski hat Benny nach seiner Einlieferung am 24. Juni 2012 in ihr Herz geschlossen. "Er saß wegen einer Operation mit einer großen Plastikkrause um den Kopf in einer Box zwischen vielen größeren Hunden und bellte sich die Seele aus dem Leib. Ich musste mich einfach um ihn kümmern." Benni hatte zuvor einer Frau aus der Dolomitenstraße in Pankow gehört, die verstorben ist. "Ich vermute, dass er von Anfang an immer im selben Haushalt war. Sein Impfpass ist lückenlos geführt und kontinuierlich vom selben Tierarzt abgestempelt", sagt Kaminski. Sind Tierhalter verstorben, recherchiert eine Zentralstelle bei der Berliner Polizei, ob Hinterbliebene die Tiere übernehmen wollen. "Viele sind daran nicht interessiert", sagt Brigitte Flick aus der Tiersammelstelle. Sie sagt das ganz sachlich. Trotzdem klingt es bitter.
Katze Murka hat schon zwei Besitzer überlebt
Besonders angeschlagen ist Katze Murka. Sie wurde am 21. Dezember 2012 in der Sammelstelle aufgenommen und lebt seit 11. Januar 2013 im Tierheim. Anfangs war sie in Quarantäne, Murka leidet unter einer Nierenerkrankung. Die 2006 geborene, schwarze Katze bewegt sich nicht aus ihrem Käfig. Tritt ein Mensch zum Füttern oder Säubern des Käfigs nahe heran, knurrt und faucht sie wie ein Raubtier. Eine Angriffshaltung aus Angst. Murkas Herrchen ist verstorben, keiner wollte die Katze haben. Brigitte Flick hatte sie eigenhändig bei der Polizei vom Abschnitt 44 in Tempelhof abgeholt – die Mitarbeiter der Sammelstelle sind Berlinweit für den Tierfang zuständig. Murka ist nur ein halber Neuzugang. Bereits 2011 musste sie ins Tierheim in Verwahrung. "Wahrscheinlich kam ihr Frauchen in eine Klinik", vermutet die Sprecherin des Tierheims, Stephanie Eschen. Murka wurde vermittelt - und ist nun zurück.
Ein Schäferhund trauert an der Kirche
Eschen kann es nicht beweisen. Aber sie hat – wie viele Tierpfleger und Tierkenner – den Eindruck, dass Tiere trauern. "Man merkt es ihnen einfach an." Sie essen schlecht, sind abgeschlagen. "Bei Hunden kann man sicherlich sagen, dass ihnen eine Bezugsperson aus ihrem Rudel fehlt, wenn sie von ihrem Menschen getrennt wurden", so Eschen weiter. Mitte Januar 2013 wurde das Nachtrauern eines Schäferhundes aus dem italienischen Dorf San Donaci publik. Tommy hat täglich sein Frauchen Maria Margherita Lochi von der Messe abgeholt: Sobald die Glocken zu läuten begannen, lief er zur Kirche. Die 57-Jährige verstarb im November 2012. Trotzdem erscheint Tommy, anfangs auch Ciccio genannt, weiter jeden Nachmittag an der Kirche – und wartet vergebens, wie von "La Repubblica Bari" berichtet. Selbst unter Tieren wird getrauert. Schlagzeilen über die Videoplattform Youtube machte im Oktober 2012 ein Rüde, der im russischen Perm Filippovka tagelang neben einer totgefahrenen Hündin Wache gehalten hielt.
Hund Struppi war völlig verwahrlost
Eschen spricht von "Schicksal": "Nachlasstiere haben einen Verlust erlebt – manche ihre Besitzer zuhause beim Sterben begleitet." Wie unter Menschen gebe es bei Tieren solche, die den Verlust schlecht verkrafteten und jene, die ihn gut wegsteckten. Struppi macht so einen Eindruck. Seit dem 18. Januar 2013 lebt der Schnauzermix im Tierheim. An der Leine von Tierpfleger Alexander Heymann rennt er aufgeregt über die winterlich kargen Rasen und schnuppert, als habe er eben erst die Funktion seiner Nase entdeckt. "Viel von der Welt zu kennen scheint er nicht," kommentiert Heymann. Struppi war in Steglitz von Polizisten aus der Wohnung eines Verstorbenen herausgeholt und mitgenommen worden. Später brachten ihn die Tierfänger nach Lichtenberg. Struppi war zwar gechippt, doch zuletzt hatte er nicht mehr viel Pflege erfahren. "Er sah völlig verwahrlost aus, als er zu uns kam", sagt Eschen.
Tierheim rechnet mit mehr Nachlass-Tieren
Eschen rechnet damit, dass das Tierheim künftig mehr Nachlass-Tiere bekommt. Sie leitet das aus der Mars Heimtier-Studie 2013 ab. Die Studie hat ergeben, dass aufgrund der demografischen Entwicklung immer mehr Tierbesitzer älter sind als 60 Jahre. Zugleich steigt die Zahl der Single-Haushalte, die der Haushalte mit zwei, drei und mehr Personen nimmt ab. Laut Studie würden Heimtiere deswegen zunehmend eine Rolle als Gesellschafter für Alleinlebende spielen. "Tiere tun der Gesundheit und der Seele gut", sagt auch Eschen. Sie dienen als Ansprechpartner, geben Menschen eine Aufgabe, halten sie auf Trab – etwa Hunde, mit denen man mehrmals täglich Gassi gehen muss. Gleichzeitig werde die Tierhaltung irgendwann zu einem Drahtseilakt. "Was ist, wenn Frauchen oder Herrchen bettlägerig wird?" fragt Eschen, "wer kümmert sich angemessen um ihr Haustier?"
Pflegeheime nehmen Haustiere von Patienten auf
Menschen, die schon zu Lebzeiten das Wohl ihrer Vierbeiner regeln wollen, müssen sich mit ihren Angehörigen absprechen. Mitglieder des Tierschutzbundes können auf ihrer Fallkarte vermerken lassen, wer sich um ihr Tier kümmern soll. Manchmal nehmen Pflegeheime die Tiere ihre Patienten mit auf. So sind im Vitanas Senioren Centrum Schäferberg nach Einzelfallprüfungen Haustiere vom Kleintier über die Katze bis zum Hund herzlichen willkommen. Die Seniorenstiftung Prenzlauer Berg hat ein eigenes Tierhaus mit Hühnern, Schweinen und Meerschweinchen eingerichtet. Es steht allen Besuchern offen, und Pfleger des Seniorenheims nehmen zusätzlich Tiere mit auf die Zimmer zu Patienten, die bettlägerig sind.
Quelle
Ich weiß zwar nicht, wie ein tatsächliches Pflegeheim die Betreuung der mit aufgenommenen Tiere regelt, insbesondere bei Hunden - Bewohner von Pflegeheimen sind in den allerwenigsten Fällen noch in der Lage, selbst ihren Hund auszuführen. Vielleicht ist auch nur die Bezeichnung journalistisch salopp gewählt und gemeint sind Seniorenheime. Und vmtl. ist die Sache auch noch mit zusätzlichen Kosten verbunden, die sich nicht jeder Rentner leisten kann. Auf jeden Fall aber eine gute Sache, dass der Umzug in ein Heim nicht immer automatisch die Trennung für Mensch und Tier bedeutet.
LG
Andrea