Inzucht/Linienzucht - ein Kriterium bei der Welpenwahl?

Vorbereitungen zu Kauf und Einzug

Inzucht/Linienzucht - ein Kriterium bei der Welpenwahl?

Beitragvon Getier » 12.06.2013, 15:44

Hallo,

unsere heutigen reinrassigen Haushündchen gehen ja meist auf wenige „Stammhunde“ zurück; Hunde, womit irgendwann mal die Zucht begonnen wurde, Einkreuzungen gab es danach nur selten.

Inzucht an sich ist ja nun nicht nur mit negativen Aspekten (Inzuchtdepression, auftreten von bisher unerkannten Krankheiten/Wesenszüge*) besetzt, sondern kann durchaus nützlich sein, wenn man bestimmte Eigenschaften festigen will oder Wert darauf legt, das Ergebnis (Aussehen, Verhalten) besser voraussagen zu können. Wer mag schon Überraschungen?

Inwieweit findet ihr Inzucht in der Hundezucht sinnvoll? Wo seht ihr die Vorteile – wo die Nachteile? Was findet ihr in Ordnung – was schließt ihr für euch (und eure Hunde) aus?
Schaut ihr gezielt nach dem Inzuchtkoeffizienten? Wenn ja, worauf achtet ihr? Bevorzugt ihr vielleicht sogar bestimmte Linien?

*Für wie sinnvoll erachtet ihr starke Inzucht bzw. Inzestverpaarungen um bisher unerkannte Krankheiten, Merkmale etc. herauszufiltern? Ist es moralisch vertretbar, "wenige kranke" Hunde auf die Welt zu holen, um andere Hunde vor Schäden zu bewahren?

An die Züchter unter uns: habt ihr einen bestimmten "Plan", nach dem ihr vorgeht/vorgehen wollt? Greift ihr vielleicht auf bestimmte Linien zurück um eine Outcross-Verpaarung durchzuführen?
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Re: Inzucht/Linienzucht - ein Kriterium bei der Welpenwahl?

Beitragvon Xafira » 13.06.2013, 05:59

Hallo,

jap, ich bevorzuge bestimmte Linien und wähle anhand dieser auch meinen Züchter bzw. den Welpen aus.
Nicht umsonst kommen alle meine Malinois über eine bestimmte Blutlinie und sind miteinander verwandt - obwohl von unterschiedlichen Züchtern. :)

Ich bevorzuge auch die Linienzucht gegenüber der outcross Verpaarung - sofern ein Züchter weiß, was er tut. Weiß er es nicht, kann auch die Outcross-Verpaarung gewaltig nach hinten losgehen.
Kennt ein Züchter sich aus, sehe ich bei der Linienzucht weniger Gefahren als bei Outcross-Verpaarungen - auch wenn man immer mal wieder frisches Blut einbringen muss, um nicht zu sehr in die Inzucht zu fallen.
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Re: Inzucht/Linienzucht - ein Kriterium bei der Welpenwahl?

Beitragvon chino » 30.10.2013, 23:43

Hallo,

Inzucht – Linienzucht – Rassezucht
enthält u.A. eine leicht verständliche Darstellung + Erklärung, wie die Berechung des Inzuchtkoeffizienten IK funktioniert.

INZUCHT oder LINIENZUCHT - nicht alles was glänzt ist Gold

Linienzucht und Inzucht - heute noch aktuell?

Dr. Sommerfeld-Stur: Die Sache mit der Inzucht
Rechts neben dem Text sind noch weitere Artikel zu Genetik und Erbfehlern abrufbar!

LG
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Re: Inzucht/Linienzucht - ein Kriterium bei der Welpenwahl?

Beitragvon Newi » 31.10.2013, 07:32

Ein sehr spannendes Thema.
Vor allem, da ich erst bei Frau Dr. Eichelberg auf Seminaren über Genetik und Zuchtstrategien war.
Und natürlich kam auch das Thema Inzucht, Heterosiszucht, ......auf.
Ich habe jetzt nicht alle Links von chino angeklickt. Aber die, bei denen ich es tat, haben fast genau das wiedergespiegelt, was wir auch beim Seminarlernten.

Inzucht und Linienzucht ist ja ein und dasselbe. Das Wort Linienzucht wird nur genutzt, weil es sich netter anhört und eben immer wieder dieselben Linien einfliessen.
Ich kann in einigen Fällen vielleicht eine Linienzucht nachvollziehen, z.B. bei Diensthunden, wenn es um Leistung und Arbeit geht.
Es wird versucht, die Hunde auf ein möglichst hohes Level bei den Eigenschaften zu bringen, die die betreffenden Hunde brauchen.

Mein Ding ist es allerdings nicht. Und schon gar nicht, wenn die Linienzucht nur auf Schönheit zielt. Ich finde, durch die immer stärkere Homozygotie werden den Hunden zu viele Gene genommen, die jeden Hund auch ein Stück zu etwas besonderem macht.
Es werden dem Hund letztendlich die Hälfte aller Gene genommen! Wo vorher vielleicht 30 Gene beteiligt waren, sind es am Ende nur noch 15. Die verlorenen Gene sind für immer verloren.
Ich denke einfach, die Natur hat sich bei der Genvielfalt schon etwas gedacht.
Z.B. wenn ein Hund ein krankes Gen hat, wird das gegenteilige gesunde Gen das Kranke "überwiegen". Züchtet man jetzt Gene weg und übrig bleiben ungewollt die Kranken, kann man so eine ganze Rasse kaputt züchten, wenn dessen Population eh nicht besonders groß ist.
Bleibt jedoch das eine kranke Gen immer mit dem Gesunden zusammen, trägt die Rasse zwar eine Erkrankung in sich. Diese wird bei vernünftiger Verpaarung aber nicht ausbrechen.
Beispiel PRA:
2 gesunde Gene = PRA Frei
1 krankes x 1 gesundes Gen = Träger (der Hund wird nicht krank)
2 kranke Gene = affected (der Hund wird krank)
Wenn man einen Träger mit einem freien Hund verpaart, können gesunde und Träger-Nachkommen entstehen. Aber keiner der Hunde wird erkranken.
Möchte man aus so einer Verpaarung vielleicht einen Welpen in die Zucht nehmen, könnte man z.B. schon ganz früh alle Welpen testen lassen und richtet seine Aufmerksamkeit auf die freien Nachkommen.
So könnte man z.B. einen Defekt gut in den Griff bekommen und behält trotzdem eine genetische Vielfalt.
Davon abgesehen, wer kann schon behaupten, dass seine Gene 100% in Ordnung sind? Jedes Lebewesen trägt irgendwo einen Fehler.
Wie sagt man so schön:
"Unsere Hunde werden nicht kränker, sondern die medizinische Wissenschaft erkennt durch den Fortschritt einfach nur mehr Dinge."
Wenn früher ein Hund humpelte hiess es, er hat sich vertreten oder altersbedingte Arthrose. Heute kennt man PL, ED, HD.
Wenn früher ein Hund blind wurde hiess es, das kommt mit dem Alter. heute kennt man PRA, Goniodysplasie,...

Das Risiko von inzuchtbedingten Defekten (Inzuchtdepressionen, Genmutationen,...) ist mir persönlich zu hoch.
Nicht umsonst ist Inzucht bei uns Menschen verboten.
Die Fraktion spanischer Wasserhunde grüßt alle Vierbeiner - auch die Wasserscheuen

Liebe Grüße,
Tina
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Re: Inzucht/Linienzucht - ein Kriterium bei der Welpenwahl?

Beitragvon chino » 31.10.2013, 08:10

Hallo,
Newi hat geschrieben:Das Risiko von inzuchtbedingten Defekten (Inzuchtdepressionen, Genmutationen,...) ist mir persönlich zu hoch.

- Echte Genmutationen sind in den allerwenigsten Fällen durch Inzucht bedingt, sondern werden durch andere Faktoren ausgelöst: Mutation
- Das Risiko der Inzuchdepression und seine Folgen lässt sich, soweit ich das verstanden habe, durch penible Berechnung des IK deutlich herabsetzen, sodass bei entsprechend sorgfältig gewählter Verpaarung die Vorteile (Auftreten + Verstärkung der gewünschten Eigenschaften) zu Tage treten und die Nachteile weitgehend ausgeschaltet werden.

LG
Andrea
PS: gerade beim Beispiel HD stellt sich mir immer wieder mal die Frage, ob man da beim Menschen nicht auch rigoros selektieren sollte ... :think2:
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Re: Inzucht/Linienzucht - ein Kriterium bei der Welpenwahl?

Beitragvon Newi » 31.10.2013, 08:12

Ganz vergessen:

An die Züchter unter uns: habt ihr einen bestimmten "Plan", nach dem ihr vorgeht/vorgehen wollt? Greift ihr vielleicht auf bestimmte Linien zurück um eine Outcross-Verpaarung durchzuführen?


Mein Zuchtziel findet in folgender Reihenfolge statt: Gesundheit - Arbeitseifer/Wesen - Aussehen
Deshalb unterscheiden Perros sich auch teilweise stark in Größe und Aussehen.
Ich achte darauf, dass der IK (Inzuchtkoeffizient) 5% nicht übersteigt und am Besten unter 2% liegt, wobei die 2% nicht so einfach einzuhalten sind, weil die Rasse teilweise noch enger miteinander verwandt ist.
Wir haben im Club strenge Zuchtgrundsätze, an die sich jeder Züchter halten muss, wie z.B. die Berechnung des IK, wofür wir ein Zuchtprogramm nutzen.
Ebenso müssen alle Zuchthunde z.B. auch PRA getestet sein. Seit kurzem schliesst das auch Hunde aus PRA-freien Elterntieren ein, da Tests auch mal Fehler aufweisen können.
Es werden immer mal wieder neue Stammbäume importiert, um die genetische Vielfalt weiter zu fördern.
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Re: Inzucht/Linienzucht - ein Kriterium bei der Welpenwahl?

Beitragvon Newi » 31.10.2013, 08:28

chino hat geschrieben:- Echte Genmutationen sind in den allerwenigsten Fällen durch Inzucht bedingt, sondern werden durch andere Faktoren ausgelöst: Mutation
Beim Gentikseminar haben wir gelernt, dass auch durch Inzucht neue Mutationen entstehen können. Wenn man einem Lebewesen die Hälfte aller Gene nimmt, greift auch die Natur manchmal ein.
- Das Risiko der Inzuchdepression und seine Folgen lässt sich, soweit ich das verstanden habe, durch penible Berechnung des IK deutlich herabsetzen, sodass bei entsprechend sorgfältig gewählter Verpaarung die Vorteile (Auftreten + Verstärkung der gewünschten Eigenschaften) zu Tage treten und die Nachteile weitgehend ausgeschaltet werden.
Um wirklich alle Nachteile auszuschalten, müsste man ja genau wissen, welches der Gene nachteilig ist. Das ist nicht immer machbar. Dazu müsste man sie wohl in die Hand nehmen und selbst sortieren. Wenn ich z.B. auf ein Charakterliches Merkmal züchten möchte, kann ich mir trotzdem ein homozygotes Gen zusammenbasteln, das für Haarausfall sorgt.
Inzuchtdepressionen bedeuten ja nicht nur höhere Welpensterblichkeit, Verlust der Fitness usw. So können durchaus auch geistige Behinderungen entstehen.

PS: gerade beim Beispiel HD stellt sich mir immer wieder mal die Frage, ob man da beim Menschen nicht auch rigoros selektieren sollte ... :think2:


HD ist ja leider eine Erkrankung, die nicht so leicht zu bekämpfen ist.
Je nach Rasse können da bis zu 25 Gene für verantwortlich sein (diese Erkenntnis ist noch recht neu). Wenn man z.B. 2 Hunde verpaart, deren gesunde Gene für HD-Freiheit gesorgt haben, kann trotzdem ein Nachkomme von beiden Seiten die kranken Gene vererbt bekommen. Einen Test gibt es dafür allerdings nicht, da jede Rasse dort auch wieder anders tickt.
An der HD wird ja ordentlich geforscht. Aber bis eine wirklich gute Erkenntnis zur Vermeidung entstanden ist, werde ich wahrscheinlich gar nicht züchten.
Beim Menschen wäre das aber tatsächlich auch mal eine Massnahme. ;)

Ich denke, man keine 100% gesunde Rasse züchten. Das funktioniert ja noch nicht mal in der Natur, beim Menschen oder selbst bei Maschinen.
Irgendwo wird es immer Fehler geben.
Aber man kann durch gute Zuchtstrategien (je nach Rasse) und Gesundheitsuntersuchungen dafür sorgen, dass Krankheiten eingedämmt werden oder in den Nachkommen gar nicht erst entstehen können.
Jedenfalls bei den Erbkrankheiten, die sich durch Gentests bestimmen lassen, wie MDR1 oder PRA.
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