Zu welchen Gefühlen Tiere wirklich fähig sind
Fühlen Tiere so etwas wie Zuneigung? Spüren sie bei der Fortpflanzung positive Emotionen? Und was ist nun dran am Kuckucks-Kind? In manchen Zoos wird Besuchern auch das Liebesleben von Tieren erklärt.
Der Stein im Gehege ist offenbar das einzige, woran Trampeltierhengst Django an diesem kalten Februartag lecken möchte. Von den Stuten seines Harems im Heidelberger Zoo zeigt er sich ziemlich unbeeindruckt. Oder sie sich von ihm? Zur gegebenen Zeit wird er sich Urin ins Gesicht spritzen – "das finden die Damen dann attraktiv". Patricia Scheuermann lacht. Sie gehört zu den Zoo-Mitarbeitern, die die Besucher des Tierparks über das Liebesleben ihrer Schützlinge aufklären.
Und da gibt es so manche Kuriosität – die Gäste lernen etwa, wie der Geschlechtsakt auch beim Stachelschwein unfallfrei über die Bühne geht, dass die Argentinische Ruderente im Verhältnis zur Körperlänge das längste Geschlechtsteil hat oder dass die Schimpansen-Weibchen im Zoo die Pille nehmen.
Und es gibt auch traurig-schöne Liebesgeschichten: Scheuermann erzählt von einem Heidelberger Storch, der aus dem Süden zurückkam und mit einem neuen Weibchen ein Nest baute. Dann aber kehrte die eigentliche Freundin zurück. Der Storch baute ein zweites Nest – opferte sich auf für beide Frauen. "Am Ende hatte er keine Kraft mehr", sagt Scheuermann.
Ähnliche Gehirnstrukturen wie beim Menschen
Fühlen Tiere? Spüren sie Zuneigung für die Artgenossen? "Die Gehirnstrukturen für Emotionen und das, was im Hormonsystem passiert, das ist ähnlich wie beim Menschen", erklärt Verhaltensbiologe Udo Gansloßer von der Universität Greifswald. Studien haben zum Beispiel gezeigt, dass das Stresshormon Cortisol und das Bindungshormon Oxytocin auch Tiere beeinflussen.
Atos scheint an diesem Tag weder von dem einen noch von dem anderen zu viel zu haben: Die Mähnenrobbe hat gerade andere Dinge im Kopf als Frauen. Wenn es damit allerdings losgeht, wird es stressig für die Pfleger: "Seerobben benehmen sich sehr kindisch in der Paarungszeit", erklärt Scheuermann. Beim Training macht Atos dann nicht mehr richtig mit. Und die Tiere fressen wenig vor lauter Aufregung: Über 50 Kilo kann ein Bulle in dieser Zeit verlieren. Glücklicherweise wiegt Atos 420 Kilogramm.
Auch Nobert Sachser, Professor für Verhaltensbiologie in Münster, beschäftigt sich mit der Gefühlswelt von Säugetieren. "Sie zeigen bei der Auswahl ihres Partners ganz deutliche Präferenzen", weiß er aus Studien mit wilden Meerschweinchen. Zudem blieben Tiere in Stresssituationen nachweislich ruhiger, wenn ihr Bindungspartner bei ihnen sei. Dass Säugetiere Emotionen haben, davon ist Sachser überzeugt. "Welche Gefühle dabei im Einzelnen im Spiel sind, ist allerdings häufig schwer zu sagen." In Münster sorgte einst ein Schwan für Schlagzeilen, der sich in ein Tretboot verliebte.
Bonobos lösen Konflikte mit Sex
In Heidelberg kuscheln kleine Rhesusaffen gegen die Kälte an. Im Haus sitzt ein riesiger Orang-Utan vor der Scheibe und starrt ein kleines Mädchen an. Friedlich sieht er aus, sanftmütig. Allerdings – sagt die Zoo-Rangerin – streunen in freier Wildbahn manche Orang-Utans herum und vergewaltigen schwächere Weibchen. Da seien Löwen viel sanftmütiger – nur wenn die Löwin sich bereitwillig hinlege, werde sie auch begattet. Hier im Zoo allerdings nicht: Der Löwe ist kastriert, weil er mit Mutter und Schwester zusammen lebt.
Dass Tiere beim Geschlechtsakt durchaus auch positive Emotionen verspüren, davon gehen Udo Gansloßer und Norbert Sachser aus. "Bestes Beispiel sind die Bonobos, die viele Konflikte mit Sex lösen", sagt der Professor aus Münster. Gansloßer erklärt: "Spaß am Sex kommt vom Dopamin. Und auch bei Tieren, das belegen Studien, steigt die Hormon-Ausschüttung während des Geschlechtsakts und danach."
Die romantische Vorstellung vom treuen Vogelpaar zerstört Professor Sachser übrigens: "Wir können mittlerweile Vaterschaftsbestimmungen machen – und dabei zeigt sich zum Beispiel bei den heimischen Singvögeln, dass in vielen Fällen nicht der Partner des Vogelweibchens der Vater der Jungtiere ist." So kommt der Meisen-Mann also zum Kuckucks-Kind.
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