von chino » 28.09.2013, 10:13
Hallo,
ich weiß, dass ich hier noch eine Erklärung ausstehen habe.
Das liegt nicht nur daran, dass mir im Augenblick ständig der Tag zu kurz ist.
Es hat sicher auch damit zu tun, dass mir das Thema zu schaffen macht und daher nicht so wirklich leicht von der Hand geht.
Ich versuche jetzt trotzdem einfach mal, das zu beschreiben, auch wenn es vmtl ein wenig verworren wird.
Ich kriege draußen seine Aufmerksamkeit, wenn ich sie aktiv einfordere.
Ich habe ein gewisses Maß an Gehorsam etabliert, der zwar noch nicht in allen Situationen zufriedenstellend greift, der aber zumindest von Leuten, die nicht aus der Gänseblümchenhund-Fraktion kommen, sehr wohl als das eingeschätzt, was es ist: das Ergebnis harter Arbeit und ein ziemlicher Fortschritt im Vergleich zu vor einem Jahr.
Sobald ich nichts einforder, kommt da auch nichts. Dann läuft er einfach und macht "sein Ding".
In unseren Anfängen war ich ihm einfach nur das lästige Übel am anderen Ende der Leine. Ein Anker, der ihn ständig daran hindern wollte, seinen Interessen nachzugehen. Mittlerweile hat er akzeptiert, dass ich da bin und lehnt sich nicht mehr permanent dagegen auf. Aber so wirklich Freude an meiner "Begleitung" zeigt er nicht. Ich habe mich in letzter Zeit 2x auf einem HuPla verabredet. Das Gelände ist riesig und daher zu Testzwecken sehr gut geeignet. Also SL dran und nach zehn Minuten gemeinsamen Laufens mal Leine auslassen und sehen, was er so treibt. Ergebnis: er kommt, wenn ich ihn rufe, meist sogar recht zügig. Das ist jetzt noch keine große Kunst, da die Ablenkungen dort zwar gegeben sind in Form von geschätzten 3 Mio. Duftspuren anderer Hunde, Mäuselöchern usw, aber letztendlich ist da kein echtes Wild, kein anderer Hund oder Mensch und dass da ein Zaun ist, hat er mit Sicherheit auch kapiert - blöd ist er ja nicht. Ok, also dann zweite Teststufe = ich rufe ihn eine ganze Weile nicht, "verschwinde"(aus der Deckung da kann man ganz gut beobachten, was das Untier macht) in einem geeigneten Moment und aktiviere die Stoppuhr am Handy. Ergebnis: es dauert geschlagene SIEBZEHN Minuten, bis er überhaupt merkt, dass ich "weg" bin und weitere knapp drei Minuten, bis er ernsthaft beginnt, mich zu suchen. Dabei verfolgt er dann in einem ziemlich beachtlichen Tempo meine Fährte und prescht letztendlich noch gut 10m an mir vorbei bis in die nächstgelegene Ecke, wo er sich ausgiebig schüttelt und kratzt. Gut, ich hatte auch nicht erwartet, dass er mir "erleichtert um den Hals fällt" bzw sich in glückseliger Begeisterung vor meine Füße wirft oder mich von oben bis unten abschleckt - der Typ Hund ist er einfach nicht. In der Wiederholung an einem anderen Tag auf dem gleichen Gelände fällt der Test ähnlich aus: ich entferne mich diesmal tatsächlich durch das Tor vom Platz, er sucht nach einer Ewigkeit und legt sich schlussendlich vor das Tor.
Drinnen sucht er zumindest zeitweilig meine Nähe.
Er kommt in die Küche, wenn für ihn erkennbar ist, dass ich mich da länger aufhalte, weil ich nicht nur Kaffee mache, sondern Abendessen koche. Dann legt er sich da hin und sieht mir mit einem Auge zu oder pennt auch dabei ein. Manchmal legt er sich unter den Couchtisch, wenn ich am NB sitze. Er parkt sich dabei nicht unmittelbar auf meinen Füßen und auch nicht immer wirklich in meiner Reichweite - ich bin daher nicht geneigt, das ausschließlich als "Kontrolle" oder "Begrenzung" seinerseits zu sehen. Ob ich mir das schönrede oder nicht, lasse ich jetzt mal dahingestellt.
Ich kann ihn rufen und ihn dann knuddeln ohne Probleme (die Kinder nach wie vor nicht, aber das ist ein anderes, tiefsitzendes Problem, das mir stärker auf der Seele lastet als die Summe der übrigen Baustellen); von sich aus kommt er am ehesten dann, wenn er eigentlich rausgehen will.
Er hat nur sehr eingeschränkt Freude daran, mit mir zu spielen.
Rennspiele jederzeit, allerdings ist da merkbar seine größte Freude daran, mich einzugrenzen (incl Abschnappen usw).
Zu jedem anderen Spiel muss ich mich erst ausgiebig "anbiedern" bzw ihn motivieren, bis er darauf einsteigt. Wenn er sich dann aufgerafft hat, zergelt er z.B. sehr gerne, aber es fiele ihm im Traum nicht ein, die "Beute" von sich aus wieder zu mir zu bringen, damit wir weiterspielen. Er freut sich wie blöd, rennt damit davon und dreht dann auch "stolz" seine Runden, bis er sich damit hinlegt und darauf rumkaut. Ich kann es mir danach zwar problemlos holen und ihn zum Weiterspielen auffordern. Da macht er dann i.d.R. auch gern wieder mit. Aber dieses typische " er bringt es heran und wirft es mir vor die Füße oder gibt es mir in die Hand ab, damit wir weitermachen" kommt von ihm NIE.
Vielleicht liegt es daran, dass ich ihn lange Zeit zu sehr "gedeckelt" habe dabei. Aber es war nicht ganz einfach, einen Weg zu finden, irgendwie mit ihm zu spielen und dabei trotzdem sein tw doch recht bizarres Verhalten unter Kontrolle zu halten. Gut möglich, dass ich es ihm damit quasi verleidet habe und er in der Erwartung, dass eh gleich wieder ein Dämper kommt, den Spaß daran verloren hat. Ich versuche seit ein paar Tagen, in diesem Bereich einen anderen Weg zu gehen, indem ich a) mich ihm absolut nicht mehr aufdränge, sondern notfalls so lange "mit mir selbst spiele", bis er neugierig genug ist, um herzukommen und nachzusehen, was es da Tolles gibt und b) die eigentlichen Spielsequenzen anders gestalte: kürzer, abwechslungsreicher, weniger "Deckel", da ich ihn ja mittlerweile doch recht gut über den Gehorsam wieder ausbremsen kann, wenn es wirklich notwendig ist. Allen anderen unerwünschten Verhaltensweisen, die er dabei zeigt, möchte ich nun eine Weile nicht über ein echtes "Aus"-Kommando, sondern rein körpersprachlich (steif machen, Spiel unterbrechen usw) begegnen. Mal sehen, ob bzw wie sehr das machbar ist und ob es eine Veränderung bringt.
Fazit:
Ich bin meinem Hund lange nicht so wichtig wie er umgekehrt mir.
Ein Teil seines Verhaltens ist mit Sicherheit seiner Vergangenheit als Streuner geschuldet. Ein gewisser Anteil ist wohl auch in den Neufundländer-Genen begründet, die definitiv mehr in Richtung Eigenständigkeit als in Richtung WTP gehen. Und dass ein intakter Rüde oftmals eher dazu neigt, erst alles zu inspizieren und seine Markierungen zu setzen, bevor er sich anderen Dingen zuwenden kann, ist auch nicht ungewöhnlich. Vielleicht zeige ich auch zu wenig "Führungsqualitäten", sodass er es mir nicht zutraut, seinen "Job" zu übernehmen, alles im Auge zu behalten. Und irgendwie verbindet er mich offenbar ausschließlich mit "Arbeit". Die macht er zwar auch recht gern und er macht ja (fat immer sehr gut) mit, solange er quasi unter Signalkontrolle steht. Doch sobald ich eine Übung beende und ihn freigebe, kann man direkt sehen, wie er "abschaltet" und ich komplett abgemeldet bin bei ihm. Es hat für ihn keine wirkliche Priorität, in meiner Nähe zu sein oder was mit mir zu "unternehmen". Vergangenheit hin, Gene und Hormone her - daran muss und will ich etwas ändern. Nicht, weil es mein Ego so sehr schädigt oder weil ich unbedingt nur "Spaß" haben will. Aber ich habe den leisen Verdacht, dass es zumindest manche unserer Probleme lösen könnte, wenn ich einen anderen als den rein gehorsamsmäßigen Zugang zu ihm finde.
LG
Andrea
Hundetrainer? Wir brauchen einen EXORZISTEN!