Ist es legitim, einen Hund „ballsüchtig“ zu machen?

Tipps und Anregungen zu Erziehungsfragen

Ist es legitim, einen Hund „ballsüchtig“ zu machen?

Beitragvon Getier » 05.07.2013, 20:18

Hallo,

Hunde die nur nach ihrem Ball schauen, den Rest der Welt vergessen, gespannt darauf warten, dass das runde Ding endlich fliegt und nach 2 Stunden spazieren immer noch „Mehr! Mehr! Mehr!“ schreien, kennt sicher Jeder von uns.
Leute die sich auf Hundeplätzen aufhalten oder gar selbst Hundesport (Flyball! Agi, Obedience, etc.) betreiben, kennen sicher auch Hunde, wo diese „Ballsucht/Ballgeilheit“ gezielt genutzt wird.
Was für negative Aspekte mit so einem extremen Verhalten einhergehen, ist auch klar: kein „nein“ akzeptieren, nicht abschalten, keine normale Interaktion mit Artgenossen und der Umwelt, starker Stress …

Je nach Hundetyp kann man so ein Verhalten natürlich besser fördern bzw. schneller ins Extreme treiben. Hunde, die jedem Reiz hinterher hechten oder als Arbeitshunde gezüchtet werden/wurden, reagieren auf ein Ballspiel natürlich anders, als die Englische Bulldogge, welche überredet werden muss den Ball auch nur anzuschauen.

Jetzt gibt es Halter, die haben gern solche Hunde – die nur noch Augen für den Ball haben – damit sie „konzentrierter“ arbeiten (eigentlich ein Witz), verlässlicher im Gehorsam sind, schneller im Parcours laufen, usw.

Wann beginnt für euch „Ballsucht“? Finden ihr es in Ordnung, wenn man einen Hund gezielt auf den Ball trimmt um sich damit Vorteile zu schaffen? Fördert ihr so ein Verhalten vielleicht sogar (bewusst) selbst? Wo seht ihr die Vorteile, wo die Nachteile?
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Re: Ist es legitim, einen Hund „ballsüchtig“ zu machen?

Beitragvon Xafira » 07.07.2013, 17:18

Also meine Hunde sind ja auch solche Kandidaten, wenn ich da auch nur irgendein Spielzeug in der Hand halte, vergessen sie die Welt um sich. Allerdings fokussiert Apollo zum Beispiel so stark, dass es ihm schwer fällt, in so einem Moment gegebene Hörzeichen umzusetzen. Liegt das Ding am Boden schafft er das wiederum problemlos.

Sind die Hunde deshalb Junkies?
Nein, aber sie können sich dazu entwickeln, wenn man nicht aufpasst.
Bei Xafira zum Beispiel muss ich das Spiel (egal welches) früh genug beenden, weil sie sich sonst zu hoch dreht und dann gar nicht mehr aufnahmefähig für etwas ist.
Der Grat zum Junkie ist bei manchen Hunden/Rassen, wie du ja schon richtig sagtest, sehr schmal.

Nein, ich fördere so ein Verhalten nicht, weil Spielzeugjunkies unglaublich arme Hunde sind, die beim Anblick eines Balls, etc. einem enormen Stresspegel ausgeliefert sind.

Ich weiß, viele schwören auf Spielzeug in der Ausbildung - gerade im sportlichen Bereich - ich nicht, mir ist der Grat zwischen Aufnahmebereitschaft, Spiel und dem Kippen des Hundes zu schmal.
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Re: Ist es legitim, einen Hund „ballsüchtig“ zu machen?

Beitragvon Newi » 08.07.2013, 10:17

Neo ist auch so ein Kandidat, da muss ich sehr aufpassen.

WENN wir mal Ball spielen, dann darf er nicht nicht einfach hinterher jagen. Und da ist es dann auch schwierig, weil er total aufdreht.
Deshalb fallen Ballspiele meist flach.
Eigentlich nutzen wir den Ball nur noch beim Schwimmen, weil er sich da eher konzentriert und nicht so aus dem Ruder läuft.
Oder er bekommt ihn hier im Haus, wenn Besuch klingelt. Dann legt er sich mit dem Ball ruhig auf seinen Platz und entspannt schnell. Er weiß, dass im Haus kein Ball gespielt wird.

Ich habe erst vor kurzem den Fehler gemacht, mit ihm Treibball anfangen zu wollen. Dazu habe ich den Vorgänger des Treibballs gekauft, einen recht großen Ball aus Hartplastik.
Das war ein Schuß in den Ofen. Er hat zwar schnell raus gehabt, wie er den Ball zu mir bekommt (ins Maul nehmen geht ja nicht), aber auch da dreht er total auf, kläfft und winselt beim Treiben.
Also bleiben wir bei dem, woran er auch Spaß hat ohne abzudrehen, der UO und Tricks.
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Re: Ist es legitim, einen Hund „ballsüchtig“ zu machen?

Beitragvon Xafira » 08.07.2013, 10:26

Danke Tina, damit bestätigst du meinen Eindruck über Treibball. Mir wurde diese Art der Beschäftigung von sovielen Leuten empfohlen, weil der Hund den Ball da eben nicht tragen kann - und ich hab immer gesagt, dass ich nicht denke, dass es das Richtige für meine Hunde ist, weil die eben sehr schnell hochdrehen mit dem Ball und weil dann noch ein gewisser Frust, der sich aufstaut, dazu kommt, wenn sie den Ball nicht hochnehmen und tragen können.

Jack hat für sich eine abgewandelte Form von Treibball erfunden - er schnappt sich ein altes Handtuch oder einen weiteren Ball und schubst dann den zweiten Ball mit der Schnauze immer zu mir - in einem Höllentempo. Das macht ihm Spaß und er dreht dabei auch nicht hoch. Er steht dann immer, wartet, bis ich den Ball dann wieder weggekickt habe, damit er ihn mir wieder zuspielen kann. Ihm gefällt das - für meine anderen Hunde ist das nichts. :)
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Re: Ist es legitim, einen Hund „ballsüchtig“ zu machen?

Beitragvon Newi » 08.07.2013, 10:58

Ja, das war ein fehler, den ich nicht wiederholen werde. :dont:
Ich dachte eben, weil ich einige Perros kenne, die ganz toll Treibball machen,.....böser Fehler.

Verwundert hat mich nur, dass ich mit Neo mal beim tag der offenen Tür eines Hundesportvereins Flyball ausprobieren konnte.
Das hatte er beim 2. Mal schon raus und hat nicht so gejammert.
Aber womöglich, wenn ich es regelmässig begonnen hätte.
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Re: Ist es legitim, einen Hund „ballsüchtig“ zu machen?

Beitragvon stencille » 08.07.2013, 11:18

Hera ist eigentlich auch ein Balljunky, wobei wir keine Bälle haben, da es da nix gibt, was ihren Zähnen lang genug stand hält.

Insofern gibt es hier Holzscheite oder Äste, die sie einem schon oft vor die Füße legt, sowie ein Zerr-Spiel aus dickem Tau. Würde ich alle Stöcke und das Tau aus dem Garten entfernen, reißt sie sich Äste aus den Büschen oder sammelt Steine.

Ich schmeiß ihr schon hin und wieder mal ein Holz, aber wir machen genauso "ordentliches" Apporttieren, sprich absitzen, schmeißen/verstecken, dann den Hund schicken.
Zwar findet sie Bälle/Stöcke suuuuuperklasse, ist aber nicht komplett süchtig in meinen Augen (da sind Bäche und Flüsse bei ihr gefährlicher - sie aus denen wieder rauszubekommen hat früher sehr lang gedauert)
Ich lasse sie damit spielen, aber es gibt auch viele Tage, an denen ich ihr Tun komplett ignoriere und nichts schmeiße.

Sanchez sind Bälle oder Stöcke total egal - ganz Windhund rennt er da zweimal hinterher, und zeigt einem dann nen Vogel.

Für mich ist es eigentlich kein Unterschied, ob ein Hund jetzt krass Leckerchen-fixiert oder Spielzeug-süchtig ist, ich benütze beides für Übungen, genauso aber muss manchmal nur streicheln oder die Stimme als Lob herhalten.

Ich käm damit aber nicht klar einen Hund zu haben, der nur noch starr und winselnd auf einen Ball schaut, sobald er einen sieht.
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Re: Ist es legitim, einen Hund „ballsüchtig“ zu machen?

Beitragvon chino » 03.08.2013, 11:48

Hallo,
Getier hat geschrieben:... Finden ihr es in Ordnung, wenn man einen Hund gezielt auf den Ball trimmt um sich damit Vorteile zu schaffen? Fördert ihr so ein Verhalten vielleicht sogar (bewusst) selbst? Wo seht ihr die Vorteile, wo die Nachteile?

Im Grunde ist es ja egal, womit man seinen Hund motiviert und/oder bestätigt.
Und wenn einer lieber kurz seinem Ball hinterhersprintet anstatt 3 Stk. Käse abzustauben oder geknuddelt zu werden, ist das auch soweit kein Ding. Schließlich soll die Bestätigung beim Hund gut ankommen und ihm "Freude" machen - ob man sich als Halter für Tubenleberwurst, Käse, Rennspiele oder Bälle erwärmen kann, ist dabei zweitrangig.

Ich möchte aber generell keinen Hund haben, der nur deswegen mitzieht, weil er dem Käseduft in meiner Tasche folgt oder eben mit den Augen am Ball klebt. Ich hätte lieber eine positive Grundstimmung, sozusagen ein motivierendes Arbeitsklima für ein fröhliches Miteinander und einen Hund, der noch in der Lage ist, dabei auch mitzudenken. Bitte mich nicht falsch zu verstehen: ich erwarte absolut nicht, dass der Wuffel alles aus reiner Liebe zu mir tut - selbstverständlich steht ihm Belohnung welcher Art auch immer für seine Leistung zu! Aber die Belohnung sollte nicht zum ultimativen Ziel werden - das Ziel ist für mich, dass mein Hund einfach gern mit mir gemeinsam etwas macht. Und davon ist ein Junkie weit entfernt.

Die (wenigen) Vorteile eines ballfixierten Hundes:

-) "Ball geht immer", auch wenn z.B. gerade aus gesundheitlichen Gründen Nahrungskarenz angesagt ist
-) Ball verdirbt nicht und krümelt einem auch nicht die Jackentaschen voll
-) ein Ball kann - im Gegensatz zu Stimme oder Sozialkontakt - leicht auch von anderen Personen als dem Halter eingesetzt werden. Wir hatten im Mantrailing-Kurs eine Hündin dabei, die zwar sehr gern am Ziel von der gefundenen Person ihre Futterbestätigung bekam, aber so richtig Freude hatte sie mit einem abschließenden kurzen Ballspiel.

Die Nachteile aus meiner Sicht:

-) wenn es ein ganz bestimmter Ball sein muss, kann der Verlust (und wie wir alle wissen, gehen Bälle halt mal verloren) dieses einen Lieblingsballs problematisch sein
-) es soll Balljunkies geben, die einfach JEDEM Ball hinterherfetzen und dabei ganz ungeniert Kindern oder anderen Hunden deren Ball klauen. Das kann besonders im Zusammenhang mit Kindern zu Konfliktsituationen incl. Beißunfällen führen
-) ich erachte jedes zwanghafte Verhalten als äußerst ungesund und somit nicht wünschenswert. Wenn ich als HF es nicht anders als durch so ein Zwangsverhalten schaffe, meinen Hund ausreichend zum Mitmachen zu motivieren, sollte ich a) meine Beziehung zu meinem Hund und meine grundsätzliche Arbeitsweise hinterfragen und b) darüber nachdenken, ob die Art der Beschäftigung, die ich mit meinem Vierbeiner betreibe, die richtige für ihn ist. Vielleicht ist eine andere Freizeitgestaltung bzw eine andere Sportart, die besser zu ihm passt, wo er von sich aus so viel Spaß daran hat, dass er auch ohne solche Mittel gut motivierbar ist, der Schlüssel.

Wie sehr es legitim, also moralisch akzeptabel ist?
Nach meiner Ansicht gar nicht - nicht für so lächerliche Zwecke wie eine bessere Durchlaufzeit auf dem Agility-Parcour. Ich setze ja meine Kinder auch nicht auf Drogen, damit sie bessere Klassenarbeiten schreiben oder im Sport besser abschneiden. Warum sollte ich also meinem Hund, der in ähnlicher Weise von mir abhängig ist, so ein Verhalten anerziehen? Dem Hund ist es vollkommen latte, ob er als erster oder 35. durchs Ziel läuft. Und den Grundgehorsam daran zu koppeln, finde ich sinnfrei: der sollte im Ernstfall schließlich auch dann greifen, wenn NULL Bestätigung zur Hand ist.

Ich fände es sehr wohl legitim, eine starke (schon gegebene) Affinität als zusätzliche Unterstützung auszunützen, um problematische Verhaltensweisen in den Griff zu kriegen: wenn ich mittels z.B. Ball oder Futter dem Hund helfen kann, seine Aggressionen gegen Kinder/Artgenossen/wasauchimmer abzulegen, dann wäre das IMO eine durchaus akzeptable Vorgehensweise.

LG
Andrea
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Re: Ist es legitim, einen Hund „ballsüchtig“ zu machen?

Beitragvon chino » 21.04.2014, 17:55

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